
„Ein Osteopath wird dahingehend unterrichtet, dass er der Natur bis ans Ende vertraut.“
(Andrew Taylor Still – in seiner Autobiographie)
Die Osteopathie geht davon aus, dass der Körper eines Lebewesens so geformt ist, dass er ohne größere Einschränkungen bis ins höhere Alter gesund bleiben kann.
Die Natur des Pferdes gibt uns somit vor, wie wir unser Training und die Anforderungen an unser Pferd gestalten sollten.
Daraus ergeben sich die osteopathische Leitsätze:
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Die Funktion bestimmt die Struktur.
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Der Körper existiert im Spannungsfeld zwischen Mobilität und Stabilität.
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Kompression ist der größte Schadensmechanismus für den Körper.
„Form follows function.“ oder die Funktion bestimmt die Struktur
Im Laufe der Evolution haben sich über Millionen von Jahren unsere heutigen Pferderassen entwickelt. Das Urpferdchen (Hyracotherium) „Eohippus“ hatte eine Widerristhöhe von etwa 20cm. Es hatte an der Vordergliedmaße vier Zehen und an der Hintergliedmaße drei Zehen und lebte vermutlich in sumpfigen Wäldern in Gruppen. Durch die klimatischen Veränderungen auf der Erde, veränderte sich auch die Vegetation, es wurde trockener und Graslandschaften entstanden. Durch die Anpassung an diese veränderten Umweltbedingungen, veränderte sich auch das Aussehen der Pferde. Sie wurden größer, entwickelten sich zum Einzeher, die Beine wurden länger und sowohl der Kopf, als auch der Kiefer wurde größer. So waren sie für das Umherstreifen im Gras immer optimal angepasst.
Auch an unseren heutigen Pferderassen können wir am Knochengerüst und der Verteilung der Muskulatur ablesen, wofür gerade dieses Pferd geeignet ist. So ergeben sich deutliche rassetypische Besonderheiten. Beispielsweise ist die natürliche Umgebung eines Isländers besonders geröllreich, was die kurzen und hochfrequenten Gänge erklärt. Das Vollblut hingegen ist mit seiner langen Röhre und Sehnen und seiner hohen Faszienspannung perfekt angepasst, um explosive und energieeffiziente Bewegungen ausführen zu können.
„Der Körper existiert im Spannungsfeld zwischen Stabilität und Mobilität.“
Beweglichkeit und Stabilität sollten also immer in einem ausgeglichenen Verhältnis sein, so dass keines der Parameter zugunsten des anderen vorherrscht. Dann ist das Pferd gesund.
Überwiegt aber beispielsweise die Stabilität zuungunsten der Mobilität, so werden sich gesundheitliche Probleme entwickeln. Das klassische Beispiel wäre eine Arthrose, so dass ein Gelenk in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist.
Häufig ist das Pferd aber auch durch fasziale oder muskuläre Restriktionen in seiner Beweglichkeit (der Mobilität) eingeschränkt und leidet unter Schmerzen, die zusätzlich Stress auslösen. Das Pferd wird nun versuchen diese eingeschränkte Beweglichkeit über ein verändertes, unphysiologisches Bewegungsmuster zu kompensieren, so dass wiederum andere Körperteile überlastet werden.
Somit streben wir im Sinne unserer Pferde immer nach einem Gleichgewicht zwischen Stabilität und Mobilität. Hier kann uns neben der Osteopathie insbesondere auch ein angepasstes Training helfen, um unsere Pferde gesund zu halten. Übrigens: auch für deinen Körper ist ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Stabilität und Mobilität wichtig, um gesund zu bleiben.
„Kompression ist der größte Schadensmechanismus für den Körper“
Unter Kompression versteht man im technischen Sinne: eine Zusammenpressung unter Erhöhung des Drucks und Verkleinerung des Volumens.
Eine der Stellen, an denen es häufig zu Kompression kommt ist die Sattellage.
Hier verläuft neben der Muskulatur (in verschiedenen Schichten) auch die, für den Reiter wichtigste Körperfaszie, die Rückenlendenbinde oder thoracolumbale Faszie.
Gesunde Faszien zeichnen sich durch eine freie Verschieblichkeit der Faszie zwischen einzelnen Faszienfasern oder Faszienschichten aus. Wird die Faszie nun z.B. durch einen unpassenden Sattel oder zu häufiges oder auch zu langes Reiten komprimiert, ist die freie Verschieblichkeit der Faszie nichtmehr gegeben. Die Gewebsflüssigkeit kann in diesem Bereich nichtmehr ungestört fließen, es kommt zu einer Anhäufung von Stoffwechselschlacken oder gar Toxinen.
Die thoracolumbale Faszie ist zudem dicht mit Schmerzrezeptoren besiedelt, so dass sich chronische Schmerzzustände durch eine Verklebung der Faszie manifestieren.
Da Faszien sich durch ein Kontinuum fortsetzen, betrifft die Restriktion einer Faszie immer auch den ganzen Körper. Die Kompression der Sattellage hat also weitreichende Auswirkungen.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist insbesondere, dem Körper bei Kompressionsbelastung ausreichend lange Möglichkeiten zur Regeneration zu geben und auf optimales Equipment zu achten, um die Kompression so gering wie möglich zu halten. Möglich wäre z.B. jeden zweiten Tag zu reiten und an den anderen Tagen ohne störendes Equipment zu trainieren. Auch hier gibt es zahlreiche tolle Möglichkeiten, die nicht nur Spaß machen, sondern ganz nebenbei auch noch die Bindung zwischen dir und deinem Pferd vertiefen.
Ist die Thoracolumbale Faszie deines Pferdes bereits restriktiert, so kann dir dein geschulter Osteopath helfen, die Faszien wieder zu lösen.